Im
letzten
Teil haben wir gesehen, dass Dawkins versucht, sich mit den
Gottesbeweisen zu befassen, aber auch, dass es bei ihm beim Versuch
bleibt. Im vierten Kapitel präsentiert er sein Argument gegen Gott –
und wir werden sehen: Wenn dies das beste Argument gegen Gott sein
soll, so müsste es schon lange eine riesige weltweite Erweckung
gegeben haben. Am Ende des vierten Kapitel fasst Dawkins sein
Argument folgendermaßen zusammen (ich habe es um der Lesbarkeit
willen ein wenig gekürzt, ohne jedoch den Wortlaut zu ändern und
ohne etwas für das Argument Wichtiges wegzulassen):
1.
Eine der größten Herausforderungen für den menschlichen Geist war
über viele Jahrhunderte hinweg die Frage, wie im Universum der
komplexe, unwahrscheinliche Anschein von gezielter Gestaltung
entstehen konnte.
2.
Es ist eine natürliche Versuchung, den Anschein von Gestaltung auf
tatsächliche Gestaltung zurückzuführen.
3.
Diese Versuchung führt in die Irre, denn die Gestalterhypothese
wirft sofort die umfassendere Frage auf, wer den Gestalter gestaltet
hat. […] Wir brauchen keinen „Himmelshaken“, sondern eine
„Kran-Konstruktion“, denn nur der Kran kann die Aufgabe erfüllen,
von etwas Einfachem auszugehen und dann allmählich und auf plausible
Weise eine ansonsten unwahrscheinliche Komplexität aufzubauen.
4.
Der genialste und leistungsfähigste „Kran“, den man bisher
entdeckt hat, ist die darwinistische Evolution durch natürliche
Selektion.
5.
Einen entsprechenden „Kran“ für die Physik kennen wir nicht.
6.
Wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch in der Physik noch
ein besserer „Kran“ gefunden wird, der ebenso leistungsfähig ist
wie der Darwinismus in der Biologie.
Schlussfolgerung:
„Wenn man die Argumentation dieses Kapitels anerkennt,
ist die Grundvoraussetzung der Religion – die Gotteshypothese –
nicht mehr haltbar. Gott existiert mit ziemlicher Sicherheit nicht.“
(Zitate
aus „Gotteswahn“, S. 265 – 266)
Fragen
wir uns zunächst: Was macht ein gutes Argument aus? Ein Argument
besteht aus mindestens zwei Prämissen, die zu einer Schlussfolgerung
führen, die sich zwingend aus diesen ergibt. Bei einem korrekten
Argument muss man dann nicht mehr den Schluss prüfen, sondern
lediglich die Prämissen. Wenn diese korrekt sind, muss es der
Schluss auch sein. Ein Beispiel für ein solches Argument:
P1.
Alle Menschen sind sterblich.
P2.
Ich bin ein Mensch.
S:
Somit bin ich sterblich.
Wie
sieht es bei der Schlussfolgerung von Dawkins aus? Ergibt sich der
Schluss – nämlich dass Gott mit „ziemlicher Sicherheit“ nicht
existiert – aus den Prämissen? Mal anders gefragt: Wenn alle
Prämissen wahr wären, wäre dann die Schlussfolgerung zwingend
notwendig? Nein – denn selbst wenn es einen „Kran“ für die
Physik gäbe und selbst wenn es auf die Frage, woher der Gestalter
kommt, keine Antwort gäbe, und so weiter, so würde das alles
trotzdem nicht gegen die Existenz Gottes sprechen. Selbst wenn das
gesamte Universum nicht nach Design aussehen würde, wäre das kein
Argument gegen Gott. Man sieht also, dass Dawkins seine
Schlussfolgerung sehr an den Haaren herbeigezogen hat. Es handelt
sich somit um ein ungültiges Argument.
Dann
können wir uns auch noch die Prämissen ansehen:
In
Prämisse 1 behauptet Dawkins, es sei eine Herausforderung gewesen,
herauszufinden, warum im Universum so viel nach gezielter Gestaltung
aussehen würde. Daran ist eine ganze Menge falsch. In der
Wissenschaft gibt es ein wichtiges Prinzip, das uns hilft, unter
verschiedenen Theorien die wahrscheinlichste zu finden. Das ist das
Prinzip der Einfachheit. Wenn ich unterschiedliche Theorien habe, die
alle dasselbe erklären, dann suche ich jene aus, die am wenigsten
verschiedene Einheiten, Teile, oder Variablen hat. Dasselbe macht man
in der Mathematik auch: Den Ausdruck 25/5 (fünfundzwanzig Fünftel)
schreibt man in der einfachsten Form auf, nämlich 5. Oder 5/25
schreibt man als 1/5. In unserem Fall wäre die einfachste Theorie:
Wenn das ganze Universum so sehr nach Gestaltung aussieht, dann haben
wir sehr gute Gründe, anzunehmen, dass es auch gestaltet ist. Und
dann müssen schon extrem starke Gründe dagegen aufkommen. Wörter
sind ja auch nichts anderes als Töne. Töne könnten schon rein
zufällig entstehen, aber wenn ich irgendwo den genauen Wortlaut von
Schillers „Glocke“ höre, dann ist das ein guter Grund zur
Annahme, dass es einen Rezitierer oder Vorleser gibt. Prämisse 2 ist
damit auch widerlegt.
In
Prämisse 3 stellt Dawkins die Behauptung auf, dass ein Gestalter
zwangsläufig die Frage aufstelle, wer den Gestalter geschaffen habe.
Dasselbe kann man auch bei Schillers „Glocke“ fragen: Wer hat
denn den Autor, nämlich Friedrich Schiller, geschaffen? Dawkins
würde natürlich auf die Vorgänge von Mutation und Selektion
verweisen, was wiederum die Frage aufwirft, wer denn diese Vorgänge
geschaffen habe. Um nun diese Frage zu beantworten, muss Dawkins auf
die Physik Bezug nehmen, welche laut Prämisse 5 keine Erklärung
hat. Letztendlich bleibt es also eine Sache des Glaubens, auf welche
Herkunft man schlussendlich vertraut. Der „Kran“ von Dawkins
entpuppt sich also mindestens ebenso sehr als ein „Siemens
Lufthaken“.
Prämisse
4 ist nicht ganz schlecht, hat aber durchaus auch so ihre Löcher.
Dawkins meint, dass der Darwinismus alles erklären könne. Nun gibt
es zwar einige interessante Modelle, die manche Veränderungen
erläutern können. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Anfragen an
diese Modelle, weil sie eben genau das sind: Modelle. In der Schule
lernt man in wunderbarer Regelmäßigkeit das Atommodell, obwohl seit
zig Jahrzehnten klar ist, wie falsch dieses Modell ist. Für einen
Schüler erklärt das Modell gut und einfach, wie die Stoffe
aufgebaut sind. Dennoch sind es lediglich Modelle, die einzelne
Aspekte korrekt und viele andere inkorrekt wiedergeben.
Prämisse
5 zerstört im Grunde genommen das gesamte Argument von Dawkins; sie
ist nämlich korrekt. Eine einzige falsche Prämisse reicht in einem
korrekten Argument aus, um das gesamte Argument zu entkräften.
Prämisse
6 ist keine Prämisse im strengen Sinn – es ist der Ausdruck einer
Hoffnung. Der Autor des Buches hofft, dass es eines Tages eine
Erklärung für die Entstehung der Physik geben würde. Es gibt eine
– nur ist Dawkins leider zu verblendet, um diese anerkennen zu
können. Mit der einfachsten aller Erklärungen und jener, welche die
Realität am besten abbildet, könnte sich Dawkins zufriedengeben.
Doch nichts da, lieber alles abstreiten und am Ende hoffen, dass es
irgendwann noch eine Erklärung gibt.
Dawkins
ist dem "Atheismus-Wahn" verfallen. In diesem Zustand lässt man keine
guten Argumente gelten, sondern lehnt alle ab, die von einem
Gestalter ausgehen. Nicht aus einem guten Grund, sondern einfach weil
nicht sein kann, was nicht sein darf. Er ist zum Missionar für einen
aggressiven Atheismus geworden, der versucht, alles andere platt zu
walzen. Dawkins fehlt nicht nur das theologische und philosophische
Wissen, um sich mit den Themen seines Buches auseinanderzusetzen,
sondern auch die Argumente. Wenn es nur um diese Argumente gingen,
also wenn Dawkins mit diesem Buch die besten Argumente für den
Atheismus präsentieren würde, dann müsste es schon längst
weltweit einen riesigen Aufbruch von Atheisten zum Theismus geben.
Dawkins ist ein exzellenter Biologe und sehr begabt darin, mit viel
Phantasie komplexe Thesen einfach zu erklären, aber hier
überschreitet er seine Kompetenzen bei weitem. Schuster, bleib bei
deinen Leisten!
Die
Blindheit in dieser atheistischen Blase hat einen anderen Grund als
Argumente. Sie stammt zumeist aus der Biographie. Menschen, die
enttäuscht oder verletzt wurden von anderen Menschen, die an Gott
glauben, sind leichter dafür anfällig, sich zum Atheismus zu
bekehren und in diesem das Heil zu suchen. Es braucht viel Gebet für
diese Menschen, damit sie wieder offener werden für die zahlreichen
guten Gründe, die dafür sprechen, dem Herrn Jesus ernsthaft
nachzufolgen.