Wir
kommen nun zum dritten Kapitel von Richard Dawkins' Buch „Der
Gotteswahn“. In diesem Kapitel versucht Dawkins auf die sogenannten
Gottesbeweise einzugehen. Einmal mehr beweist er jedoch seine
vollkommene Unfähigkeit, sich mit der Materie erst einmal
auseinanderzusetzen, bevor er sie beurteilen kann. Es ist nicht ganz
einfach, sich in einem einzelnen Post mit der ganzen Thematik der
Gottesbeweise auseinanderzusetzen, deshalb werde ich mich auf
allgemeine Hinweise beschränken. Ich habe vor, hier im Blog noch
eine ganze Serie zu den Gottesbeweisen zu veröffentlichen, und kann
dann auch auf die Argumente von Dawkins (und anderen) im Einzelnen
eingehen.
Zunächst
zeigt Dawkins, dass er den Sinn von Gottesbeweisen nicht versteht.
Wer sich etwas tiefer in die Literatur zu diesen einliest, wird bald
sehen, dass die Gottesbeweise etwas anderes sind als
wissenschaftliche Beweise. Es wurde deshalb auch schon oft die Frage
gestellt (und unterschiedlich beantwortet), ob man diese
Art von Argumenten nicht besser anders benennen sollte. Dawkins
schreibt: „Die
fünf »Beweise«, die Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert
formulierte, beweisen überhaupt nichts.“
(S. 127) Was Dawkins in diesem Satz unter „beweisen“ versteht,
ist eine sehr beschränkte Definition eines Beweises. Was er meint,
ist, dass ein Beweis nach seiner Definition unter denselben Umständen
(wie etwa Druck, Wärme, etc.) beliebig oft wiederholt werden können.
Er will nur das als Beweis gelten lassen, was experimentell beliebig
oft wieder zum selben Resultat führen wird. Doch auch in der
Wissenschaft gibt es eine Menge Annahmen, die nicht beliebig
wiederholt werden können. Das beginnt zum Beispiel damit, dass
manche Experimente sehr teuer und aufwendig sind. Für manche davon
gibt es nur einen einzigen Ort, an welchem sie durchgeführt werden
können, weil die Instrumente dazu bisher nur an einem Ort
existieren. Andere Experimente wie man sie machen müsste, um die
Entstehung des Weltalls oder des Lebens zu beweisen sind nicht
möglich, weil es diese bereits gibt und für ein entsprechendes
Experiment wohl länger als ein Menschenleben geforscht werden
müsste. Und dann gibt es auch noch Dinge, welche in der Natur nur
sehr selten vorkommen, zum Beispiel bestimmte Konstellationen der
Himmelskörper. Diese kann man zwar in Computermodellen berechnen,
was aber keinerlei Beweis ist, sondern eben nur eine Rekonstruktion
oder ein Modell, welches eben durch Beobachtung zuerst erhärtet
werden müsste. Und dann gibt es auch noch viele Experimente, die
bisher noch gar nicht durchführbar sind, weil die Technik Grenzen
hat oder weil die notwendigen Geräte dazu noch nicht erfunden worden
sind.
Was
hat das nun mit Gottesbeweisen zu tun? Damit Gottesbeweise in sich
stimmig sind, muss man zunächst einmal überhaupt die Möglichkeit
zulassen, dass Gott existieren „darf“. Natürlich existiert Gott
auch dann, wenn niemand diese Möglichkeit zulassen will. Aber der
Mensch, der von vornherein ablehnt, dass Gott existiert, nimmt sich
selbst die Möglichkeit, Gott erkennen zu können. Man könnte sagen:
Gottesbeweise machen dann Sinn, wenn man sich innerhalb des
biblischen Weltbilds bewegt. Die biblische Weltanschauung ist ein
großes Ganzes, in welchem jeder Teil der Realität einen Platz hat.
Wissenschaftliche Weltbilder, die versuchen, ohne Gott klarzukommen,
zerfallen in zig kleine Teilgebiete, in denen überall einzelne
Ergebnisse erzielt werden können, aber das große Ganze passt nicht
mehr zusammen. Damit man Gottesbeweise neutral bewerten kann, muss
man sich zuerst ins Innere der christlichen Weltanschauung begeben,
und genau das ist der Fehler von Dawkins: Er ist nicht bereit dazu.
Er bleibt lieber auf seinem vermeintlich sichereren „Außenposten“
und versucht, in die „christliche Blase“ zu schauen. In
Wirklichkeit ist er aber in einer atheistischen Blase gefangen und
hat keinerlei Bezug zu einem biblischen Weltbild. Er kann nur von
seiner atheistischen Denkweise ausgehen und verfehlt dadurch
komplett, was er tun möchte.
Viele
Philosophen sind da tatsächlich viel weiter gekommen als Dawkins.
Etwa Bradley Monton, ein Wissenschaftsphilosoph, hat sich in seinem
Buch „Seeking God in Science“ mit denselben Argumenten
auseinandergesetzt. Er bleibt am Ende des Buches Atheist, aber er
gibt zu, dass ihn die Argumente der Gottesbeweise in seinem Atheismus
weniger sicher machen. Er hat sich auf dieser Suche Mühe gegeben,
die Argumente möglichst neutral und unter der Annahme der
Möglichkeit, dass Gott eben doch existieren könnte, zu untersuchen.
Seine Gegenargumente sind auf jeden Fall deutlich besser als die von
Dawkins – wenngleich auch sie nicht überzeugen. Auch das ist
wieder ein Fall für eine mehrteilige Serie zum Thema, weshalb ich
hier nicht weiter darauf eingehe.
Besonders
amüsant ist Dawkins' Auseinandersetzung mit dem Argument der
Schönheit: „Natürlich sind Beethovens späte Streichquartette
erhabene Kunstwerke. Das Gleiche gilt für die Sonette von
Shakespeare. Sie sind erhaben, wenn es einen Gott gibt, und sie sind
auch erhaben, wenn es ihn nicht gibt. Sie beweisen nicht die Existenz
Gottes, sondern die Existenz Beethovens oder Shakespeares.“ (S.
142) Damit geht er aber gar nicht auf das eigentliche Argument ein.
Er kann nicht zeigen, warum so gut wie alle Menschen einen
Sonnenaufgang schön finden. Genau das müsste er können, wenn er
das Argument entkräften wollte.
Auffällig
ist, dass Dawkins für jedes Argument jeweils eher schwache
Argumentatoren aussucht. Gerade am Schluss, wenn er sich mit der
Zusammenfassung der Argumente befasst und das Gesamt-Argument der
Gottesbeweise kritisiert. Hierbei geht es um den Versuch, die
verschiedenen Argumente für Gott in eine Beziehung zueinander zu
setzen und eine Wahrscheinlichkeit zu „berechnen“ oder besser
gesagt, abzuschätzen. Einer der großen christlichen Philosophen,
Richard Swinburne, der dies in seinem Buch „The Existence of God“
sehr ausführlich, selbstkritisch und vorsichtig getan hat, könnte
Dawkins noch eine Menge lehren, wenn sich dieser mit dem Buch von
Swinburne etwas genauer auseinandergesetzt hätte. Leider ist die
atheistische Überheblichkeit größer als der Wille, etwas zu
lernen, was dem eigenen Weltbild widerspricht.
Interessant
ist aber auch, welche Argumente Dawkins auslässt. Entweder weil er
sie für so wenig überzeugend hält – oder aber, was
wahrscheinlicher ist – weil er zu wenig gute Gegenargumente hat.
Wenn man die Auseinandersetzungen von Dawkins mit denen von Bradley
Monton im oben erwähnten Buch vergleicht, fällt dies besonders auf.
Monton muss ziemlich tief in die Trickkiste der neueren
wissenschaftlichen Thesen greifen, um auf die Argumente zu antworten.
Es ist natürlich ok, dass Monton das tut, aber es zwingt ihn, diese
Argumente ziemlich ausführlich zu erklären, damit sie für den
durchschnittlichen Leser verständlich werden. Genau darauf möchte
Dawkins im „Gotteswahn“ verzichten, weil er auch dem
wissenschaftlich und philosophisch weniger gebildeten Leser die
Möglichkeit geben will, das Buch leicht und schnell zu verstehen und
die Argumente darin selbst anzuwenden. Dass dies zu Lasten der
tiefergehenden und ehrlicheren Auseinandersetzung geht, scheint ihm
eine Bagatelle zu sein. So wird der von mir früher sehr geschätzte
populärwissenschaftliche Autor Richard Dawkins zu einem
populärunwissenschaftlichen Autoren, was übrigens auch vielen
anderen Wissenschaftlern sauer aufgestoßen ist. Michael Ruse etwa,
ein bekannter Wissenschaftsphilosoph, der sich auf die Philosophie
der Biologie spezialisiert hat und an der Universität von Florida
lehrt, nennt das Buch einen Bärendienst
an der Wissenschaft, und genau das ist es leider auch.
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