Häufig
wird die Existenz des Übels in der Welt als Argument gegen Gott
angeführt. Das müssen wir etwas genauer betrachten, denn letzten
Endes ist das Böse in der Welt eher ein Argument für als gegen die
Existenz Gottes.
Das
Argument gegen Gott aus dem Übel der Welt geht ungefähr folgendermaßen:
1.
Gott ist ein allmächtiges Wesen, dem somit nichts unmöglich ist.
2.
Gott ist gleichzeitig ein gutes Wesen, das nichts Böses in der Welt
wollen kann.
3.
Es geschieht jede Menge Böses in der Welt.
→ Deshalb
kann Gott nicht existieren.
Es
gibt dazu noch ein paar andere Abwandlungen dieses Arguments, zum
Beispiel gegen die Allmacht Gottes, also dass das Böse in der Welt
ein Beweis dafür sei, dass Gott nicht allmächtig sei oder sich
beschränken würde, die Zukunft nicht vorher zu wissen, oder so
ähnliches mehr. Ich möchte kurz auf die Prämissen eingehen. Bei
der Prämisse 3. gibt es eigentlich nichts zu diskutieren; lediglich
festzuhalten, dass jede Feststellung, die etwas gut oder böse nennt,
einen absolut gesetzten Maßstab braucht.
Was
ist Allmacht?
Die
erste Prämisse besagt, dass Gott allmächtig ist. Dazu müssen wir
uns aber die Frage stellen, was Allmacht ist. Allmacht ist die
unbegrenzte Fähigkeit, alles zu machen, was a) logisch möglich ist
und b) dem Charakter des Allmächtigen entspricht. Die Bibel sagt zum
Beispiel, dass Gott allmächtig ist und gleichzeitig, dass Gott nicht
lügen kann. Das ist kein Widerspruch, es besagt lediglich, dass wir
unsere Definition von Allmacht an Gott anpassen müssen und nicht
umgekehrt.
Manchmal
hört man die Frage: Kann Gott einen Stein erschaffen, der so schwer
ist, dass er ihn nicht mehr hochheben kann? Das ist so eine Frage,
welche die Regeln der Logik übertritt. Ein allmächtiges Wesen, das
etwas schafft, was die Allmacht übersteigt, ist ein Widerspruch in
sich selbst. Das wäre ungefähr so, wie zu verlangen, dass
Deutschland in der gleichen Saison fünf verschiedene Vereine haben
soll, die alle zusammen Deutscher Meister im Fußball sind. Meister
kann im Fußball jedes Jahr nur ein Verein werden, das ist ein Teil
der Definition des Meistertitels, weshalb so lange gespielt werden
muss, bis der eine Meister gefunden wurde. Fünf Meistervereine im
selben Jahr zu verlangen, ist deshalb total unlogisch und somit auch
unmöglich, solange die momentane Definition des Meistertitels
beibehalten wird.
Der
Mensch: Abbild Gottes in der bestmöglichen Welt
Ich
möchte deshalb im folgenden zwei Arbeitshypothesen aufstellen. Beide
entstammen der christlichen Weltanschauung und ich meine, dass sie
zusammen die beste Erklärung für unsere Welt ist. Wir wollen
deshalb für den Anfang einmal davon ausgehen, dass diese zwei
Hypothesen wahr sind und sie dann durchdenken und daraus Schlüsse
ziehen, um diese am Schluss mit der Realität vergleichen und so
beurteilen zu können. Meine erste Hypothese lautet: Der Mensch ist
als Ebenbild Gottes geschaffen und trägt deshalb einige Wesenszüge
Gottes an sich:
Gott
ist allwissend – der Mensch ist wissend: mit Verstand
ausgestattet, kann planen und sich auf die Zukunft freuen, wenn er
etwas geplant hat. Er kann sich über sich selbst viele Gedanken
machen, kann philosophieren und über den Sinn des Lebens nachdenken.
Er kann sich überlegen, welche Entscheidung in welchem Fall zu den
besten Resultaten führen wird.
Gott
ist allmächtig – der Mensch ist mächtig: Er ist mit vielen
Möglichkeiten ausgestattet, die es ihm erlauben, die überlegten
Entscheidungen in Taten umzusetzen und kann somit eine ganze Menge
bewirken – zum Guten wie zum Schlechten.
Gott
hat Emotionen – der Mensch hat auch Emotionen: Der große
Unterschied ist der, dass der Mensch von den Emotionen hin- und
hergetrieben wird. Gott kann verschiedene Emotionen zugleich haben:
Freude über alles Gute und Schöne und Hass und Zorn gegen alles,
was das Gute und Schöne zerstört.
Gott
ist kreativ, der Mensch ist auch kreativ: Auch hier gibt es einen
qualitativen Unterschied. Gott kann aus dem Nichts Neues
hervorbringen; der Mensch kann nur das bereits Geschaffene verändern.
Er kann zum Beispiel Kunststoffe herstellen, indem er bestehende
Stoffe künstlich verändert, aber er kann keine neuen Atome
schaffen.
Gott
ist vollkommen frei – der Mensch ist beschränkt auch sehr frei:
Was der Mensch nicht kann, ist, sich über die von Gott gesetzten und
aufrecht erhaltenen Naturgesetze eigenmächtig hinwegzusetzen, aber
er hat innerhalb dieser sehr viel Freiheit, weil er von Gott
Verantwortung übertragen bekommen hat. Der Mensch ist für sich
selbst und sein Umfeld verantwortlich, soweit seine persönliche
Freiheit reicht.
Meine
zweite Hypothese lautet, dass wir in der besten aller (logisch)
möglichen Welten leben, weil Gott sie so geschaffen hat. Das heißt,
dass wir in unserer hiesigen Welt die größten Möglichkeiten haben,
gemäß diesem Bild Gottes zu leben. Im Folgenden möchte ich diese
zwei Hypothesen an der Realität, in der wir leben, prüfen.
Was
ist das Übel in der Welt?
Dazu
brauchen wir zunächst einmal Definitionen, die das Böse oder das
Übel in der Welt beschreiben. Wir müssen unterscheiden zwischen
verschiedenen Arten des Übels. Es kann nämlich sein, dass wir
unterschiedlich Dinge als böse betrachten, die man gar nicht so in
eine Kategorie zusammenfassen kann. Ich möchte drei Kategorien
unterscheiden. Die erste Kategorie betrifft Dinge, die uns manchmal
als übel erscheinen, aber tatsächlich nur die logische Folge von
guten Dingen sind. Ein Beispiel: Wenn der Fußballverein, den wir
mögen, absteigt statt Meister zu werden, dann gefällt es uns nicht.
Es scheint uns ein Übel zu sein. Oder wenn es genau dann regnet,
wenn wir geplant haben, eine Feier im Garten zu machen, dann scheint
das schlecht zu sein. Aber gleichzeitig ist beides gut – aus dem
Blickwinkel des anderen Fußballvereins, der Meister wird oder aus
dem Blickwinkel des Gartens, der dringend Wasser braucht. Eine zweite
Kategorie des Übels betrifft Naturkatastrophen. Flutwellen, Stürme,
Dürren und so weiter. Die dritte Kategorie beinhaltet alle von
Menschen direkt oder indirekt verursachten Übel.
Was
ist echte Verantwortlichkeit?
Gott
möchte in diesem Fall, dass wir echte Verantwortung übernehmen
müssen. Schauen wir uns das näher an. Eine Entscheidung ist nur
dann eine echte Entscheidung, wenn es auch eine Auswahl von
Möglichkeiten gibt und wenn die richtige Entscheidung echte gute
Zustände hervorrufen, während falsche Entscheidungen echte negative
Zustände hervorrufen. Eine Welt, in der es keine Entscheidungen
gäbe, könnte der Mensch keine Verantwortung übernehmen und keine
all dieser Fähigkeiten einbringen, die dem Bild Gottes entsprechen.
Gott
ist ein guter Gott, ein barmherziger Gott, der Mitleid hat. Somit
möchte Gott, dass wir diese Eigenschaften kennenlernen und uns auch
aneignen sollen. Doch Mitleid gibt es nur in einer Welt, in der es
Leid gibt – das Wort Mit-Leid ist daraus abgeleitet. Gott ist ein
Gott, der gerne hilft – und wir sollen auch gerne helfen. Doch
Hilfe kann nur jemand geben, wenn jemand sie benötigt. Wir sollen
Entscheidungen treffen können, die einen echten, handfesten
Unterschied machen. Die richtige Entscheidung zu treffen ist etwas
Gutes, doch ist es besser, wenn die richtige Entscheidung Mut braucht
und uns nicht einfach so von selbst geht. Diese Beispiele lassen sich
natürlich beliebig weiter ausbauen und wohl jeder kann sich
zusätzliche überlegen.
Und
was ist mit dem Tod?
Es
gibt ein Übel in der Welt, das alle anderen zu übersteigen scheint:
Der Tod. Vielleicht denken wir, etwas Leid ist ja zuweilen schon
schön und recht, aber was ist mit dem Tod? Darf ein liebevoller Gott
sowas zulassen?
Ich
möchte mich dieser Frage von zwei Seiten aus nähern. Wenn es den
Tod als Folge einer Entscheidung geben kann, dann haben wir es mit
ernsthafteren Entscheidungen zu tun. Eine richtige, das heißt gute,
Entscheidung ist wertvoller, wenn sie einen Tod verhindern kann; und
wenn es bei der falschen Entscheidung die Möglichkeit des Todes
gibt, so ist sie ernsthafter und somit auch wertvoller. Somit ist
eine Welt, in welcher die Möglichkeit des Todes existiert, eine
ernsthaftere und deshalb auch bessere Welt.
Zugleich
ist der Tod aber auch noch etwas anderes. Unter Umständen kann der
Tod die Erlösung aus dem Übel des Lebens sein. Der Tod sorgt dafür,
dass ein Sadist sein Opfer nur bis zu einer bestimmten Grenze quälen
kann. Oder dass Krankheit, Schmerzen und andere Leiden irgendwo ein
Ende finden. Somit kann der Tod auch ein Moment der Gnade sein.
Bei
all den Gedanken dürfen wir nicht vergessen, dass es nicht Gott ist,
der das Übel in der Welt schafft. Er hat lediglich die Möglichkeit
dazu gemacht – und der Mensch ist selbst und trotz besseren Wissens
da reingelaufen.
Fazit
Somit
scheint mir der Fall klar zu sein, dass das Leid in der Welt kein
Gegensatz zu einem liebenden, allmächtigen und allwissenden Gott
ist. Der Mensch ist nach Gottes Ebenbild geschaffen, trägt also im
Kleinen und Unperfekten viele Züge, die auf Gott als seinen Schöpfer
hinweisen und ist in die beste aller logisch möglichen Welten
platziert worden, damit er dort verantwortlich, kreativ, vernünftig,
und so weiter zu Gottes Ehre leben soll.
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